Azulejos, die glasierten Keramikfliesen Portugals

Das Wort Azulejo stammt vom arabischen Wort Al-zuleike (poliertes Steinchen) und bezeichnet die glasierten Keramikfliesen, die man überall in Portugal findet. Der Azuleja kam ursprünglich mit den Mauren nach Europa, wobei man in Europa die ältesten dieser Fliesen in der Alhambra in Granada findet, wo sie bis zum 12. Jahrhundert zurückreichen. Erst rund 300 Jahre später, als die Mauren längst aus Portugal vertrieben waren, wurden diese Fliesen erstmals im Palácio Nacional de Sintra benutzt.
 
König Manuel I machte dann die Azulejos in ganz Portugal bekannt, da er diese Fliesen überall in seinem Palácio de Dom Manuel in Évora benutzte, was zur Folge hatte dass nahezu der gesamte portugiesische Adel jener Zeit ebenfalls nach dieser Dekoration griff. Diese ersten portugiesischen Azulejos wiesen natürlich noch nicht die Vielfalt auf, die man heute findet, sondern die Handwerker hielten sich an die arabische Technik und die arabischen Muster, also geometrische Formen und Blätter.

Die Kunst der Azulejos
Foto: Herbert Kårlin

Manuel I war noch gezwungen sämtliche Azulejos aus Sevilla zu importieren, da es in Portugal noch keinen Handwerker oder Künstler gab, der die Technik beherrsche um diese Fliesen herzustellen. Während der ersten rund 100 Jahre findet man daher zwischen den spanischen und den portugiesischen Azulejos keinerlei Unterschied. Aber da diese Fliesen bereits im 16. Jahrhundert nicht mehr nur in adeligen Palästen, sondern auch in Kirchen und Klöstern immer mehr verwendet wurden, so entstanden auch in Portugal die ersten kleineren Fabriken. Insbesondere in Lissabon (Lisboa) entstanden gegen 1560 die ersten Töpfereien (oficinas de olaria), die bei der Herstellung der Azulejos auf italienische Techniken zurückgriffen und damit den ersten Schritt zu einer nationalen Technik einleiteten, und natürlich auch weiterhin Töpferprodukte herstellten.
 
Ab Ende des 16. Jahrhundert, als der Barock in Portugal einzog, entwickelte sich so langsam der heute sehr bekannte Stil der Azulejos, die ab dieser Zeit auch in Gärten und an ersten Hausfassaden auftauchten. In Portugal ging man in dieser Zeit vom geometrischen Designs ab und schuf auf den quadratischen Azulejos Landschaften und es entstanden, zum Beispiel in Gartenanlagen und Kirchen, gesamte Szenographien, die die Natur Portugals oder das Leben von Heiligen darstellen. Die Künstler jener Epoche ließen sich, sowohl hinsichtlich der Farben, als auch der Motive teilweise vom damaligen holländischen Porzellan beeinflussen.
 
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts zeigten die portugiesischen Azulejo-Künstler ihre größte Leistung, denn sie führten nicht nur die Satire auf den Azulejos ein, sondern sie griffen auch zur Symbolik, indem sie Menschen als Tiere darstellten und tatsächliche Handlungen mit der Sagen- und Märchenwelt verknüpften. Die Azulejos wurden in dieser Epoche nicht nur Teil der Kunstgeschichte des Landes, sondern sie spiegelten auch das portugiesische Denken. Neu in jener Zeit war auch die Einführung verschiedener Farben, die es ermöglichten Geschehen deutlicher auszudrücken.
 
Das große Erdbeben Lissabons im Jahr 1755 brachte dann die nächste änderung bei der Herstellung von Azulejos, da man nach den immensen Zerstörungen in großen Teilen des Landes auch die Fassaden von Gebäuden künstlerisch gestalten wollte, also eine sehr große Menge an diesen Fliesen benötigte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Azulejos daher nicht mehr rein künstlerisch hergestellt, sondern Künstler und Fabriken arbeiteten ab dieser Zeit eng zusammen und schufen dadurch Motive bei denen man serienmäßig hergestellte Fliesen verwenden konnte, das Hauptmotiv jedoch ein Künstler schuf, was auch dazu führte dass Azulejos ab Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr nur von einer finanziellen Elite benutzt wurden, sondern auch von anderen Gruppen verwendet werden konnten. Sehr viele Handelshäuser, Apotheken und andere Gebäude mehr wurden nun innen und außen ebenfalls mit Azulejos, zumindest teilweise, verkleidet.
 
Ab dem 19. Jahrhundert wurden Azulejos dann Teil der portugiesischen Architektur, was man heute an tausenden von Gebäuden in ganz Portugal feststellen kann, wenn man die mit Azulejos versehenen Fassaden etwas genauer betrachtet. Mit der Massenanwendung dieser glasierten Fliesen entstanden auch zahlreiche Fabriken, die sich auf die Herstellung von Azulejos spezialisierten, insbesondere in Lissabon, in Porto und in Aveiro. Bereits im folgenden Jahrhundert nahm die Kunst der Azulejos einen weiteren Schritt, denn sie wurden im 20. Jahrhundert auch bei öffentlichen Gebäuden und Konstruktionen verwendet, also in Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen und Parks. Natürlich wurden so viele dieser Fliesen wie möglich in Fabriken hergestellt, aber die Formgebung und die Designs blieben immer in den Händen von Künstlern.
 
Mit dem 20. Jahrhundert kam jedoch eine weitere Veränderung, denn die Azulejo-Künstler kannten nicht nur die modernsten Techniken der Fliesenherstellung, sondern sie führten auch neue Techniken in der Kreation ein. Mittlerweile greift man daher bei der Herstellung von Azulejos auch zur Spritztechnik, der Serigraphie und anderen Methoden mehr, die die arabische Welt nicht kannte.
 
Wer sich mehr für die Geschichte und die Entwicklung der Azulejos interessiert, sollte auf keinen Fall auf den Besuch des Museu Nacional do Azulejo (Nationalmuseum für Azulejos) in Lissabon besuchen, und hierfür genügend Zeit vorsehen. Als größte Attraktion des Museums gilt das Retábulo de Nossa Senhora da Vida des Jahres 1580, ein Werk des portugiesischen Künstlers Marçal de Matos, das aus 1384 Einzelfliesen besteht.